Samstag, 21. Mai 2011

Buchbesprechung: Bora Ćosić "Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten".

„Mamas Angelegenheiten“ machen da weiter, wo Bora Ćosić in seinem auch in Deutschland bekannten Klassiker „Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution“ aufgehört hat: Mit der Erzählung des Alltags einer jugoslawischen Familie in Belgrad vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Deren Leben zwischen Normalität und dem Wahnsinn dieser Zeit beschreibt Ćosić wieder aus der Sicht des Sprösslings der Sippe, der die Absonderlichkeiten seiner Verwandtschaft so selbstverständlich hinnimmt, dass sich bald auch Leser und Leserin mit deren Absurdität abfinden. Alle kommen sie zu Wort: Die Tanten ungefragt zu wirklich jedem Thema, der Schürzen jagende Onkel am liebsten über Frauen, Opa weiß es in jedem Fall besser und die vergeblich um Fassung und Anstand ringende Mama weist den schon wieder besoffenen Papa zurecht. Zwischendurch erzählen die Nachbarn die neuesten Gerüchte übereinander.

Von allen Seiten kommentiert wird dabei auch die finstere Realität der 40er Jahre, als erst Deutsche den Ton angeben und Menschen jagen und dann unter umgedrehten Vorzeichen die russischen Befreier Kollaborateure und jene, die sie dafür halten – und das sind viele –, hinrichten. Umgekommen wird leicht im umkämpften und neu gegründetem Jugoslawien, und wen es nicht gleich dahinrafft, der/die wird von Hunger und Kälte geplagt. Umstürze werden hingenommen, in der Schule werden neue Parolen gelehrt, Opa bleibt skeptisch und die Tanten erfreuen sich an der wechselnden Mode. Ganz nebenbei werden in „Mamas Angelegenheiten“ so Triviales und Weltgeschichte vermengt. Das alles passiert aber in einem so liebenswert absurden und vor allem absurd liebenswerten Tonfall, dass der Sprung von der Farce ins Groteske vonstattengeht ohne Narben zu hinterlassen. Mama weiß, „das Leben bleibt bitter und unheilbar!“, also: Weitermachen und sich nicht allzu sehr ins gefährliche Geschehen einmischen.

weiter...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen