Dienstag, 26. April 2011

Buchbesprechung: Zoran Zivković "Der unmögliche Roman".

Beim "Unmöglichen Roman" handelt es sich genau genommen um gar keinen – sondern um eine Sammlung von fünf, zwischen 1997 und 2003 entstandenen und zuvor noch nicht auf Deutsch veröffentlichten, Erzählreihen. In jeder einzelnen untersucht Zoran Živković unter dem Deckmantel der Phantastik die Beziehung zwischen Verfasser, Text und der von ihm darin erschaffenen Welt. Das geschieht von Reihe zu Reihe – hier als Bücher bezeichnet – auf inhaltlich unterschiedliche, konzeptuell und sprachlich aber stark vergleichbare Art und Weise. Die Grenzen zwischen Unmöglichem, Erdachtem und Metafiktion verschwimmen dabei spätestens in einer jedes einzelne Buch abschließenden Erzählung, die das verbindende Thema der vorangegangen aufnimmt und ihm eine Pointe hinzufügt.

Das ist nicht besonders revolutionär, weiß aber zumindest anfangs noch zu interessieren. Im ersten Buch ("Zeitgeschenke") tritt der Autor als Vergangenheit und Zukunft verändernder Schicksalsmacher im Text selbst in Erscheinung. Er gibt den Charakteren – seinen Charakteren – die Chance, durch das Eingreifen in einem ihr Leben definierenden Moment eben jenes umzuschreiben. Erhalten bleibt ihnen jedoch das Wissen um die ursprüngliche Realität und die damit einhergehende moralische und geistige Belastung. Ist die Alternative in jedem Fall besser? Mit dieser Frage seine Protagonist/-innen allein lassend, versündigt sich der Autor an ihnen – und tritt dafür auf den letzten Seiten selbst Buße an.

Auch die zweite Erzählreihe ("Unmögliche Begegnungen"), in der sich ein Buch gleichen Namens als Thema durch die Einzeltexte zieht, vermag noch zu überraschen. Hier ist der Autor wieder mit gottgleichen Schöpfungsfähigkeiten ausgestattet, weiß dies aber selbst nicht, bis er in der letzten Geschichte von einer seiner Figuren darüber aufgeklärt wird. Auf diese Weise wird ihm auch die Möglichkeit der eigenen Unsterblichkeit durch die Verschriftlichung, die Fiktionalisierung seiner selbst, offenbart. Erweitert wird diese Metaebene noch einmal durch das vierte Buch ("Die Bibliothek"), in dessen Geschichten nicht nur die gesamte – jemals geschriebene, noch zu schreibende und potentielle – Literatur ihren Weg in virtuelle und vorgestellte Regale findet, sondern auch die Biographien aller menschlichen Leben. Diese sind bis ins kleinste Detail dokumentiert, gebunden und archiviert und von jedem Menschen einsehbar. Auch hier dreht sich Živković also wieder um das Erkennen des Selbst im Schreiben, und um das Leben als Akt des Schreibens der eigenen Geschichte.

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Sonntag, 24. April 2011

Leipzig Marathon.







Montag, 18. April 2011

Kommst du mit in den Alltag?

"Hoffnung auf den Feierabend, Hoffnung auf das Wochenende, all diese lebenslängliche Hoffnung auf Ersatz, inbegriffen die jämmerliche Hoffnung auf das Jenseits, vielleicht genügte es schon, wen man den Millionen angestellter Seelen, die Tag für Tag an ihren Pulten hocken, diese Art von Hoffnung nehmen würde: - groß wäre das Entsetzen, groß die Verwandlung. Wer weiß! Die Tat, die wir Verbrechen nennen, am Ende ist sie nichts anderes als eine blutige Klage, die das Leben selbst erhebt. Gegen die Hoffnung, ja, gegen den Ersatz, gegen den Aufschub..."

(Max Frisch, in: "Graf Öderland", S. 66)

"'Alles hat nun einmal seine Vor- und Nachteile', und schon wird das Unzumutbare zumutbar - als Nachteil, der wiederum nichts als eine notwendige Eigenheit jedes Vorteils ist. Die Vorteile waren in der Regel nur mangelnde Nachteile: kein Lärm, keine Verantwortung, keine Arbeit für Fremde, kein tägliches Getrenntsein vom Haus und von den Kindern. Die tatsächlichen Nachteile wurden also durch die fehlenden aufgehoben. Alles daher nicht halb so schlimm; man wurde spielend damit fertig, im Schlaf. Nur war bei dem allem kein Ende abzusehen."

(Peter Handke, in: "Wunschloses Unglück", S. 65)

"It's a disease. Nobody thinks or feels or cares any more; nobody gets excited or believes in anything except their own comfortable little God damn mediocrity."

(Richard Yates, in: "Revolutionary Road", S. 62)

"Mit letzter Kraft klammert er sich an die Zweige, die über dem kleinen, Hochwasser führenden Fluss hängen. Der Mann sucht mit den Füßen Halt am steilen Ufer, aber die Strömung ist zu heftig. Er spürt, wie seine Hände von den nassen Blättern gleiten, betrachtet sie, als hoffe er, sie blieben auf diese Weise an ihnen haften. Sein Blick fällt auf die Armbanduhr, und er stellt mit Erstaunen fest, dass er noch keine fünf Minuten im Wasser ist. Während er gegen die Strömung kämpfte, mit Händen und Füßen um sich schlug und den treibenden Zweigen und Gegenständen auswich, hätte er schwören können, er sei schon jahrelang der Kraft des Wassers ausgesetzt. Es wäre besser, denkt er, keine Uhr zu haben, aber er kann sie nicht ablegen, er muss vielmehr zusehen, wie der schmale Zeiger ihm die Sekunden von der Zeit, die ihm noch bleibt, stiehlt, bis er zuerst einen und dann den anderen Zweig aus den Händen lässt."

(David Albahari, in: "Die Kuh ist ein einsames Tier", S. 86)

"Die Menschen, welche nur noch zu atmen vermögen, sterben niemals."

(Émile Zola, in: "Thérèse Raquin", S. 46)

Samstag, 16. April 2011

An die Mauer!

An die Mauer!

Sonntag, 10. April 2011

Buchbesprechung: David Albahari "Die Kuh ist ein einsames Tier".

"Die Kuh ist ein einsames Tier. Kurze Geschichten und dauerhafte Wahrheiten über Liebe, Traurigkeit und den ganzen Rest", so der komplette Titel von David Albaharis Sammlung von Textminiaturen, verspricht schon zu Beginn nichts weniger als die Entführung in eine Parallelwelt der Sprache: "Der Leser, der sich an einer Stelle im Buch verliert, findet sich, allerdings verändert, an einer anderen wieder" ("Der Leser"). Durch diese zweifelt, irrt und kalauert sich der Autor zuweilen so frei, dass zunächst der Eindruck entsteht, er hätte willkürlich den Inhalt seines Notizblocks abdrucken lassen. Tatsächlich stammen die hier vorliegenden und zum Teil erstmals auf Deutsch abgedruckten Kleinstgeschichten zur Hälfte aus früheren Veröffentlichungen Albaharis von 1978 bis 2008, der andere Teil ist bisher noch nicht im serbischen Original erschienen. Hätte es sich wirklich um einen Notizblock gehandelt, so zumindest um einen äußerst relevanten.

Denn vieles, was auf dem ersten Blick unfertig wirkt, offenbart beim nochmaligen Lesen Abgründe voll Witz und Traurigkeit. Die Pointen schleichen sich mit jedem Satz an die Psyche des Lesers und der Leserin heran, um – oft erst in den letzten Worten – gnadenlos zuzuschlagen:

"Meine Frau versteckt beide Hände hinter ihrem Rücken, und ich soll raten, in welcher sie etwas für mich hat. Ich tippe auf die linke, sie streckt mir die Faust entgegen, öffnet sie, zeigt die leere Hand. Ich tippe auf die rechte. Sie streckt mir die Faust entgegen, öffnet sie, aber auch diese Hand ist leer. Meine Frau ist verlegen. Sie dreht die Hände um, schaut um sich, hebt die Füße. Gerade war es noch da, sagt sie, und jetzt kann ich es nicht mehr finden."
("Das Ratespiel")

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Donnerstag, 7. April 2011

Judy was a teenage rebel.



So, Judy, where does that leave you?