Sonntag, 10. April 2011

Buchbesprechung: David Albahari "Die Kuh ist ein einsames Tier".

"Die Kuh ist ein einsames Tier. Kurze Geschichten und dauerhafte Wahrheiten über Liebe, Traurigkeit und den ganzen Rest", so der komplette Titel von David Albaharis Sammlung von Textminiaturen, verspricht schon zu Beginn nichts weniger als die Entführung in eine Parallelwelt der Sprache: "Der Leser, der sich an einer Stelle im Buch verliert, findet sich, allerdings verändert, an einer anderen wieder" ("Der Leser"). Durch diese zweifelt, irrt und kalauert sich der Autor zuweilen so frei, dass zunächst der Eindruck entsteht, er hätte willkürlich den Inhalt seines Notizblocks abdrucken lassen. Tatsächlich stammen die hier vorliegenden und zum Teil erstmals auf Deutsch abgedruckten Kleinstgeschichten zur Hälfte aus früheren Veröffentlichungen Albaharis von 1978 bis 2008, der andere Teil ist bisher noch nicht im serbischen Original erschienen. Hätte es sich wirklich um einen Notizblock gehandelt, so zumindest um einen äußerst relevanten.

Denn vieles, was auf dem ersten Blick unfertig wirkt, offenbart beim nochmaligen Lesen Abgründe voll Witz und Traurigkeit. Die Pointen schleichen sich mit jedem Satz an die Psyche des Lesers und der Leserin heran, um – oft erst in den letzten Worten – gnadenlos zuzuschlagen:

"Meine Frau versteckt beide Hände hinter ihrem Rücken, und ich soll raten, in welcher sie etwas für mich hat. Ich tippe auf die linke, sie streckt mir die Faust entgegen, öffnet sie, zeigt die leere Hand. Ich tippe auf die rechte. Sie streckt mir die Faust entgegen, öffnet sie, aber auch diese Hand ist leer. Meine Frau ist verlegen. Sie dreht die Hände um, schaut um sich, hebt die Füße. Gerade war es noch da, sagt sie, und jetzt kann ich es nicht mehr finden."
("Das Ratespiel")

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