Montag, 28. März 2011

Buchbesprechung: Angela Richter "Der Engel und der rote Hund".

Rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse gibt die Slawistikprofessorin Angela Richter eine Anthologie von Kurzgeschichten heraus, die den Anspruch erhebt, die serbische Literatur nach dem demokratischen Umsturz und damit auch bisher in Deutschland weitgehend unbeachtete Autor/-innen vorzustellen. Deren/r finden sich in diesem Band neunzehn und tatsächlich sind, abgesehen von den NIN-Preis-Gewinnern Vladimir Arsenijević, Zoran Ćirić und Vladimir Pištalo sowie dem Leiter der Serbischen Nationalbibliothek Sreten Ugričić, darin weitgehend unbekannte Namen versammelt. In ihrem Vorwort stellt Richter das Gemeinsame der Texte dieser Vielzahl von Autor/-innen heraus: Sie nähmen sich Themen über den "spezifischen serbischen Kontext hinaus" an – ein Ansatz, der angesichts hinreichend eingeübter und automatisch abgespulter medialer Assoziationsketten von Balkan – Gewalt – Nationalismus – Krise geeignet erscheint, ein anderes, ein neues Bild von Serbien zu zeichnen.

Ganz davon befreien kann sich freilich auch dieser Sammelband nicht. Vladimir Pištalos titelgebende Geschichte liest sich dafür zu leicht als Allegorie auf die Immer-Wieder-Betonung ethnisch begründeter Grenzen zwischen den ehemaligen jugoslawischen Brüdern und Schwestern und Ljiljana Đurđićs Beitrag "Schokolade der Marke Pionier" ist eine offen vorgetragene Klage gegen die Kontinuität in den serbischen Eliten. Sie geben sich eine neue Fassade – oder, wie hier, eine neue Werbetafel –, letztendlich bleibt aber das Personal gleich und schaltet weiter nach eigenem Ermessen. Die "Freiheit", in die der Ich-Erzähler am Ende entlassen wird, entlarvt Đurđić so zynisch als Worthülse.

Zuweilen driften einige der Texte inhaltlich ins Belanglose und vermögen auch sprachlich nicht zu überzeugen. Zoran Ćirić ("Auch die Liebe weiß, was sich gehört") mag in seiner südserbischen Heimatstadt Niš mit Schwellkörpern und Schwafel noch provozieren, im von zehn Jahren in der Popliteratur ersoffenen Deutschland bedarf es dazu aber inzwischen minderjähriger Autor/-innen, die sich genauso freizügig wie sie sich in ihren eigenen Texte geben an denen anderer Menschen bedienen. Und Igor Marojević ist in "Der Krieg um die Ehre der Moana Pozzi" alles egal, zuallererst aber die Lesbarkeit: "German entgegnete etwas mit Worten, die Boris vollkommen schleierhaft vorkamen. Er fragte ihn, ob er irgendeines von Moanas Büchern gelesen hätte." Wer fragt hier wen und warum interessiert das nicht einmal den Autoren?

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