Nach metafiktionalen Bücherträumen (Goran Petrovićs "Die Villa am Rande der Zeit" und Zoran Zivkovićs "Der unmögliche Roman") und niedlich-naiver Weltbetrachtung (Dragan Aleksićs "Vorvorgestern" und "Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten" von Bora Ćosić) mal was Neues: Unverhohlen vorgetragene Misanthropie und lähmende Angst. In vier Abschnitten zeichnet Jovan Nikolić ein Bild von der menschlichen Existenz voll Krankheit, Schmerz - der sich hier dankenswerterweise auch einmal physisch manifestieren darf - und Unsicherheit, das nicht unbedingt Freude auf den nächsten Tag macht. Dafür aber umso mehr auf die nächste Seite. Vor allem im ersten Abschnitt "Hypochondrie" (auch die anderen sind nach Geisteskrankheiten benannt: "Apathie", "Somnambulie" und "Familie") überschlägt sich Nikolić beinahe mit Beschreibungen von innerlich faulen Körpern, fieberndem Wahn und überempfindlichen Organen am Rande des Versagens.
Dass diese Betrachtung des Verfalls und der Qual vor allem eine Selbstbetrachtung ist, daran lässt Nikolić keinen Zweifel. Dafür aber - dank leicht erhobener Braue über dem manisch zwinkernden Auge - daran, dass das alles so ernst gemeint ist, wie es klingt. "Hoffnungslos, aber nicht ernst. Eine Lektion in Galgenhumor", so dann auch der Einband, den das vielleicht abgründigste Titelbild dieses Jahres schmückt. Und selbst wenn es doch um den Körper so schlimm steht, wie in den Zeilen beschrieben, kommt der Autor nicht umhin, dem noch etwas Gutes abzugewinnen: Lieber Hypochondrie anstatt echter geistiger Leere, lieber ein alle Sinne schärfendes Fieber, lieber ein von der Fäule ergriffener Körper als ein gesättigter, der auch den Geist zufrieden und träge macht. Ekel als Herausforderung.
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Freitag, 8. Juli 2011
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