Samstag, 21. August 2010

Dahinter.

Einer der Hauptthemen des von mir geschätzten Jürgen Noltensmeier sind nordrhein-westfälische Hausfassaden (I, II, III). Wenn den Aussagen der Kuratorin der Ausstellung, bei der ich letztes Jahr ein... sehr unterhaltsames Praktikum (Text, Bild) absolviert habe, Glauben zu schenken ist, verarbeitet er damit unter anderem die Unmöglichkeit, das Haus seiner früh gestorbenen Eltern zu betreten. Bei meinem Provinzbesuch in der ersten Hälfte dieser Woche, den ich in erster Linie mit Fahrradfahren, Fotografieren und schlechtem Essen (da zeigen sich die nicht immer gleich offensichtlichen Qualitäten Berlins und Leipzigs) verbrachte, stellte sich dieses Problem für mich nicht: das Haus, in dem ich die ersten Jahre meines Lebens, an die ich mich heute noch zumindest bruchstückhaft erinnern kann (die Wohnung davor ist mir völlig unbekannt geblieben), gewohnt habe, war unverschlossen. Deswegen nach einer kurzen Betrachtung der - wirklich sehr schönen - Fassade gleich den Blick dahinter:



Vor dem Eingang habe ich schon bei einem früheren Besuch Stolpersteine, fünf an der Zahl, entdeckt. Es handelt sich dabei um die der Familie Gutkind und deren Eltern, Adele und Georg Schlesinger. Stolpersteine vor einem Haus, in dem mensch selbst einmal gewohnt hat, aufzufinden ist eine Erfahrung, die sich gänzlich von der Entdeckung solcher anderswo unterscheidet.



Das Haus ist in den seit meinem Auszug vergangenen Jahren, inzwischen schon erschreckenden achtzehn an der Zahl, stark heruntergekommen. Wahrscheinlich war es schon damals nicht mehr im Idealzustand, die Zeit ohne Renovierung oder nennenswerter Reparatur macht sich jedoch selbst meinen wenigen Erinnerungen gegenüber bemerkbar. Vor allem aber ist es dieser Tage, trotz der guten Lage (soweit man davon in einer Stadt wie Cottbus reden kann), nur zu fünfzig Prozent, den oft mit seltsamsten Kram zugestellten Wohnungseingängen nach zu urteilen dabei eher an sozialökonomisch benachteiligte Schichten, vermietet.



Ich kann mich entsinnen, dass auf dem Innenhof früher tatsächlich Teppiche ausgeklopft wurden. Macht das heute jemand noch? Bei dem Fenster im zweiten Obergeschoss, das der Wand am nächsten liegt, könnte es sich um mein ehemaliges Kinderzimmerfenster handeln. Ich bin mir nicht einmal mehr völlig sicher, in welcher Etage ich gelebt habe. Dafür erinnere ich mich an das Doppelstockbett und die ausklappbare Modelleisenbahn darin.



Alles ist viel dunkler, als ich es in Erinnerung habe. Das wenige Licht im Treppenhaus rührt von den trüben Fenstern in den Hof, die elektrische Beleuchtung ist noch weitaus schwächer. Die Tapete ist unverändert, die Treppen sind steil - und ich bin mir nicht wirklich im Klaren darüber, ob ich sie auch früher so empfunden habe.



Ich glaube der Keller war damals für mich entweder nicht weiter von Interesse, oder im Gegensatz zu heute abgeschlossen. Nicht zugänglich ist nun aber der Dachboden, an den - und insbesondere an dessen Taubenkolonien - ich mich viel besser erinnern kann. Mir kommt es vor, als ob es dort durch die zahlreichen (Dach-)Fenster (auf dem Fassadenfoto gut zu erkennen) auch am hellsten gewesen wäre, kann es aber leider nicht nachprüfen. Fast zeitgleich mit mir verlassen zwei andere Personen das Gebäude, anscheinend Studierende, aber ich spreche sie nicht an und ärgere mich immer noch darüber.

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